Mariprofundus ferrooxydans

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Mariprofundus ferrooxydans

M. ferrooxydans PV-1, TEM-Aufnahme von „Stielen“

Systematik
Abteilung: Pseudomonadota
Klasse: Zetaproteobacteria
Ordnung: Mariprofundales
Familie: Mariprofundaceae
Gattung: Mariprofundus
Art: Mariprofundus ferrooxydans
Wissenschaftlicher Name der Ordnung
Mariprofundales
Hördt et al. 2020[1]
Wissenschaftlicher Name der Familie
Mariprofundaceae
Hördt et al. 2020[1]
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Mariprofundus
Emerson et al. 2010[2]
Wissenschaftlicher Name der Art
Mariprofundus ferrooxydans
Emerson et al. 2010[2]
Großaufnahme von M. ferrooxydans PV-1 Zelle mit produzierten „Stielen“

Mariprofundus ferrooxydans ist eine Spezies (Art) neutrophiler, chemolithotropher, gramnegativer Bakterien, die durch die Oxidation von Eisen (Fe) zu Eisen(III) Energie für ihr Wachstum gewinnen können.[2] Die Art ist eines der wenigen Mitglieder der Klasse der Zetaproteobakterien im Stamm der Pseudomonadota (früher Proteobakterien genannt). Es ist typischerweise in eisenreichen Tiefseeumgebungen zu finden, insbesondere an hydrothermalen Quellen.[3] M. ferrooxydans produziert typischerweise Stängel oder Stiele (englisch stalks) aus festen Eisenoxyhydroxiden, die sich in ihrer Gesamtheit zu Eisenmatten formen.[2] Gene, die für die Katalyse der Fe(II)-Oxidation in M. ferrooxydans vermutet werden, ähneln denen, die an bekannten Metall-Redoxwegen beteiligt sind. Daher ist die Spezies ein guter Kandidat für einen eisenoxidierenden Modellorganismus.[3]

Gelbes, mit Eisenoxid bedecktes Lavagestein an der Flanke des Kama‘ehuakanaloa (alias Lōʻihi).

M. ferrooxydans wurde erstmals aus eisenreichen mikrobiellen Matten isoliert, die mit hydrothermalen Schloten an einem unterseeischen Vulkan, dem Kama‘ehuakanaloa Seamount (früher Lōʻihi genannt), in der Nähe von Hawaii verbunden sind (Referenzstamm PV-1 alias ATCC BAA-1020 oder DSM 23021). Das Bakterium wies bei seiner Entdeckung nur 85,3 % Ähnlichkeit in der 16S rRNA mit seiner nächsten kultivierten Art Methylophaga marina auf. M. ferrooxydans hat eine Verdopplungszeit von 12 Stunden bei 23 °C. Die Zellen haben eine gebogene Stäbchenmorphologie (Länge ca. 2–5 µm, Durchmesser ca. 0,5 µm).[2]

Dem Gattungsnamen Mariprofundus liegt zwar eine gültige Veröffentlichung zugrunde,[4] dieser ist allerdings grammatikalisch falsch gewählt: Er stellt eine Verkettung des lateinischen Neutrums mare -i​s ‚das Meer‘ mit dem lat. maskulinen Adjektiv profundus ‚tief‘ dar, das einen Tiefseeorganismus bezeichnen soll – das Neutrum von profundus ist jedoch profundum.[4]

Das Artepitheton ferrooxydans leitet sich ab vom lat. Substantiv ferrum ‚Eisen‘ und dem altgriechischen Adjektiv ὀξύς oxýs, deutsch ‚scharf‘, ‚spitz‘, ‚sauer‘, davon das neulat. Verb oxydare ‚sauer machen‘, ‚oxidieren‘; ferrooxydans bedeutet daher eisenoxidierend.[5]

Zur Gattung Mariprofundus gehören nach der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN)[4] – wie auch nach der Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI)[6] und der Genome Taxonomy Database (GTDB) – folgende Arten:

  • Mariprofundus aestuariumChiu et al. 2017
  • Mariprofundus erugoGarrison et al. 2019
  • Mariprofundus ferrinatatusChiu et al. 2017
  • Mariprofundus ferrooxydans Emerson et al. 2010 (Typusart)
  • Mariprofundus micoguttaMakita et al. 2017[7]

Ncxh der NCBI-Taxonomie gibt es noch weitere Bakterienstämme, die der Gattung Mariprofundus zugeschrieben werden, darunter:[8]

  • Mariprofundus sp. GSB2 (McBeth et al. 2011)[9]
  • Mariprofundus sp. M34 (McAllister et al. 2011) – jetzt zu M. ferrooxydans[10]

Nach der LPSN – wie auch in der NCBI-Taxonomie – ist die Gattung Mariprofundus monotypisch (die einzige) in der Familie Mariprofundaceae. Diese ist in der NCBI-Taxonomie wiederum monotypisch in der Ordnung Mariprofundales,[11] zu der nach der LPSN noch die Gattung „GhiorseaMori et al. 2017[12] gehört (ohne Familienzuweisung,[4] nach der GTDB aber auch in der Familie Mariprofundaceae).[13]

Die Stellung der Ordnung Mariprofundales im Phylum Pseudomonadota (früher Proteobacteria) ist noch in der Diskussion (Stand Oktober 2023): Die Taxonomie des NCBI[6] stellt sie – wie auch die GTDB[13] – in die Klasse Zetaproteobacteria. In der LPSN gilt diese Beziehung aber als ein Synonym für die Klasse Alphaproteobacteria, sie stellt alle ihre Zetaproteobacteria-Mitglieder direkt zu den Alphaproteobacteria.[4]

Synonyme der Spezies Mariprofundus ferrooxydans:[11]

  • „Siderooxidans marinum“ Emerson 2003

Synonyme der Familie Mariprofundaceae Hördt et al. 2020:[4]

  • „Mariprofundaceae“ Emerson et al. 2007

Synonyme der Ordnung Mariprofundales Hördt et al. 2020:[4]

  • „Mariprofundales“ Makita et al. 2017
  • Candidatus Mariprofundales“ Emerson et al. 2007

Stämme der Spezies Mariprofundus ferrooxydans:

M. ferrooxydans lebt unter mikrooxischen Bedingungen (mit geringem Sauerstoff), die Spezies nutzt Fe(II) als Elektronendonor und oxidiert es zu Fe(III) als hauptsächlichen Weg zur Energiegewinnung, wobei Sauerstoff als Elektronenakzeptor und CO2 als Kohlenstoffquelle verwendet werden.[3][21] Es handelt sich um einen chemolithotrophen Organismus, der Meeressalze benötigt und nachweislich nicht heterotroph wächst.[2] Diese biotische Eisenoxidation konkurriert mit der abiotischen Eisenoxidation. Daher gedeiht M. ferrooxydans in Umgebungen mit hohen Fe(II)-Konzentrationen, aber niedrigen Sauerstoffkonzentrationen, damit die biotische Eisenoxidation mit der abiotischen Oxidation konkurrieren kann. Da die Eisenoxidation ein Prozess mit geringer Energieausbeute ist, müssen große Mengen Eisen oxidiert werden, um eine angemessene Energiemenge zu erzeugen – deshalb sind hohe Fe(II)-Konzentrationen in der Umgebung ein entscheidender Faktor.[22]

Das vorgeschlagene Modell der Eisenoxidation durch M. ferrooxydans beinhaltet die Oxidation von Fe(II) durch eine Eisenoxidase in der Außenmembran, die das Elektron durch eine aus Cytochromen bestehende Elektronentransportkette leitet. Sauerstoff wird als terminaler Elektronenakzeptor verwendet. Der umgekehrte Elektronentransport zur Herstellung von NADH genutzt.[3]

Die Zellen von M. ferrooxydans sind gramnegative, etwas gekrümmte Stäbchen, die zwei Lebensstadien durchlaufen: ein freilebendes Stadium, in dem sie beweglich sind, und ein zweites Stadium, in dem sie Eisen oxidieren und feste Eisenoxide bilden.[3]

Die faserigen, verdrehten Stängel aus Eisenoxid, die von M. ferrooxydans ausgeschieden werden, sind dann Bestandteil ganzer Eisenmatten – diese bestehen vermutlich aus einer organischen Matrix, wo M. ferrooxydans die Eisenoxidstruktur in arttypischer Weise bildet.

In der beweglichen Phase ist dieser Organismus chemotaktisch, so dass er selbst in der heterogenen und sich schnell verändernden Umgebung hydrothermaler Schlote sich in Richtung geeigneter Sauerstoffkonzentrationen bewegen kann. Dabei kann der Organismus veränderte Sauerstoffkonzentrationen schnell erkennen und darauf reagieren, um sich in Richtung für ihn geeigneter Sauerstoffkonzentrationen zu bewegen. Diese Beweglichkeit ermöglicht es M. ferrooxydans, trotz der starken Durchmischung in seiner Umgebung in mikrooxischen Bedingungen zu verbleiben, wo er die abiotische Eisenoxidation übertreffen und genügend Energie zum Überleben gewinnen kann.[3]

Im Genom von M. ferrooxydans gibt es Gene für das Enzym RuBisCO, daher sind diese Bakterien ist in der Lage CO2 zu fixieren. Es gibt sogar Gene für mehrere RuBisCO-Varianten, was darauf schließen lässt, dass der Organismus sich an die Fixierung von CO2 in einem breiteren Spektrum von Umweltbedingungen (Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentrationen) angepasst hat. Heterotrophes Wachstum wurde bei diesem Organismus dagegen noch nie dabei beobachtet. Sein Genom kodiert für ein Zucker-Phosphotransferase-System, das typischerweise als Kohlenhydrat-Transporter spezifisch für Fruktose und Mannose Verwendung findet.[3] Es ist allerdings nicht bekannt (Stand 2011), ob diese als Kohlenstoffquelle verwendet werden können oder ob sie zur Bildung der Kohlenhydrat-Gerüstmatrix der gebildeten verdrillten Stängel verwendet werden.[3]

Rolle bei der Korrosion

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M. ferrooxydans wurde zusammen mit anderen Eisen oxidierenden Bakterien (FeOB) mit der Korrosion von Q235-Stahl[23] in Verbindung gebracht. Diese Bakterien können einen Biofilm auf der Stahloberfläche bilden[21] Sie bewirken dabei eine Versauerung der Umgebung der Anheftungsstelle, wodurch der Lochfraß entstehen kann. Die Hauptprodukte der von M. ferrooxydans verursachten Korrosion von Q235-Stahl sind Eisen(III)-hydroxidoxid (FeO·OH) und Eisen(III)-oxid (Fe2O3).[21]

Einzelnachweise

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  1. a b Anton Hördt, Marina García López, Jan P. Meier-Kolthoff, Marcel Schleuning, Lisa-Maria Weinhold, Brian J. Tindall, Sabine Gronow, Nikos C. Kyrpides, Tanja Woyke, Markus Göker: Analysis of 1,000+ Type-Strain Genomes Substantially Improves Taxonomic Classification of Alphaproteobacteria,. In: Frontiers in Microbiology, Band 11, 7. April 2020, S. 468; doi:10.3389/fmicb.2020.00468, PMID 32373076, PMC 7179689 (freier Volltext) (englisch).
  2. a b c d e f g David Emerson, Jeremy A. Rentz, Timothy G. Lilburn, Richard E. Davis, Henry Aldrich, Clara Chan, Craig L. Moyer: A Novel Lineage of Proteobacteria Involved in Formation of Marine Fe-Oxidizing Microbial Mat Communities. In: Anna-Louise Reysenbach (Hrsg.): PLOS ONE. 2. Jahrgang, Nr. 8, 2007, S. e667, doi:10.1371/journal.pone.0000667, PMID 17668050, PMC 1930151 (freier Volltext), bibcode:2007PLoSO...2..667E (englisch).
  3. a b c d e f g h Esther Singer, David Emerson, Eric A. Webb, Roman A. Barco, J. Gijs Kuenen, William C. Nelson, Clara S. Chan, Luis R. Comolli, Steve Ferriera, Justin Johnson, John F. Heidelberg, Katrina J. Edwards: Mariprofundus ferrooxydans PV-1 the first genome of a marine Fe(II) oxidizing Zetaproteobacterium. In: PLOS ONE, Band 6. Jahrgang, Nr. 9, 23. September 2011, S. e25386; doi:10.1371/journal.pone.0025386, PMID 21966516, PMC 3179512 (freier Volltext) (englisch).
  4. a b c d e f g LPSN: Genus Mariprofundus Emerson et al. 2010.
  5. a b c d LPSN: Species Mariprofundus ferrooxydans Emerson et al. 2010.
  6. a b NCBI Taxonomy Browser: Mariprofundales.
  7. Hiroko Makita, Emiko Tanaka, Satoshi Mitsunobu, Masayuki Miyazaki, Takuro Nunoura: Mariprofundus micogutta sp. nov., a novel iron-oxidizing zetaproteobacterium isolated from a deep-sea hydrothermal field at the Bayonnaise knoll of the Izu-Ogasawara arc, and a description of Mariprofundales ord. nov. and Zetaproteobacteria classis nov. In: Archives of Microbiology, Band 199, Nr. 2, 20. Oktober 2016, S. 335–346, ISSN 0302-8933; doi: 10.1007/s00203-016-1307-4.
  8. Ana Paula B. Moreira, Pedro M. Meirelles, Fabiano Thompson: The Family Mariprofundaceae. In: E. Rosenberg, E. F. DeLong, S. Lory, E. Stackebrandt, F. Thompson (Hrsg.): The Prokaryotes, 4. Auflage, Springer, Berlin, Heidelberg, Januar 2014, S. 403–413; doi:10.1007/978-3-642-39044-9_378, ResearchGate: 268389523, Epub 20. November 2014 (englisch).
  9. NCBI Taxonomy Browser: Mariprofundus sp. GSB2 (species).
  10. a b NCBI Taxonomy Browser: Mariprofundus ferrooxydans M34 (strain), Nucleotide: txid314345[Organism:noexp].
  11. a b c d e f g NCBI Taxonomy Browser: Mariprofundus ferrooxydans.
  12. NCBI Taxonomy Browser: Ghiorsea (genus).
  13. a b c d e f g h i GTDB: Mariprofundus ferrooxydans (sp.), Referenzstamm: GCF_000153765.1 – Mariprofundus ferrooxydans. NCBI strain identifiers: PV-1.
  14. a b Mariprofundus ferrooxydans PV-1 (DSM 23021, ATCC BAA 1020). Auf: BacDive - the Bacterial Diversity Metadatabase, Stand 7. Dezember 2022.
  15. NCBI Taxonomy Browser: Mariprofundus ferrooxydans PV-1 (strain), Nucleotide: txid314345[Organism:noexp].
  16. Mariprofundus ferrooxydans M34 (Project ID: 1077758). Auf: US Department of Energy (DOE), Joint Genome Institute (JGI).
  17. NCBI Nucleotide: txid314344[Organism:exp] AND JV-1.
  18. Heather Fullerton, Kevin W. Hager, Craig L. Moyer: Draft Genome Sequence of Mariprofundus ferrooxydans Strain JV-1, Isolated from Loihi Seamount, Hawaii. In: ASM Journals: Genome Announcements, Nand 3, Nr. 5, 8. Oktober 2015, S. e01118-15; doi:10.1128/genomeA.01118-15, PMID 26450720, PMC 4599079 (freier Volltext) (englisch). Dazu:
  19. Kerstin Viering: Das Leben nach dem Untergang. Auf: spektrum.de vom 24. Juli 2022.
  20. a b Kyra A. Price, Cody E. Garrison, Nathan Richards, Erin K. Field: A Shallow Water Ferrous-Hulled Shipwreck Reveals a Distinct Microbial Community. In: Frontiers in Microbiology, Band 11, Sec. Aquatic Microbiology, Research Topic: Aquatic Microbiology Editor’s Pick 2021, 19. August 2020; doi:10.3389/fmicb.2020.01897 (englisch).
  21. a b c Shiqiang Chen, Hao Deng, Guangzhou Liu, Dun Zhang: Corrosion of Q235 Carbon Steel in Seawater Containing Mariprofundus ferrooxydans and Thalassospira sp. In: Frontiers in Microbiology, Band 10, 8. Mai 2019, S. 936; doi:10.3389/fmicb.2019.00936, PMID 31134004, PMC 6517491 (freier Volltext) (englisch).
  22. Carolina N. Keim: Arsenic in Biogenic Iron Minerals from a Contaminated Environment. In: Geomicrobiology Journal. 28. Jahrgang, Nr. 3, 21. März 2011, ISSN 0149-0451, S. 242–251, doi:10.1080/01490451.2010.493571 (englisch).
  23. Stahl Q235 Datenblatt. Welt Stahlsorten – CHINESISCHE NORM GB.