Colosseum (Essen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wolff’s Colosseum am Kopstadtplatz, in der 1. Etage ist das Kaiser-Café
Innenansichten: Saal mit dem Blick auf Bühne, obere Wandelhalle und Maschinenhalle

Das Colosseum,[1] einst am Kopstadtplatz 12 im Essener Stadtkern gelegen, zählte zur Zeit seines dreißigjährigen Bestehens bis 1929 zu den bekanntesten Revue- und Operettentheatern im Westen Deutschlands.

Lage und Umgebung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Colosseum befand sich am Kopstadtplatz, der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neuer Markt-, Kirmes- und Veranstaltungsplatz der Innenstadt war. Im Zweiten Weltkrieg wurden alle Gebäude am Kopstadtplatz, die meist dem Historismus und Jugendstil zugeordnet wurden, zerstört. Nach dem Krieg hatte der Platz auch durch die neue Verkehrsführung der Nachkriegsplanung seine Rolle als Veranstaltungsort bis heute verloren. Er wurde zuletzt 1991 zu seinem heutigen Aussehen umgestaltet.

Charakter und Architektur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Colosseum wurde Ende der 1890er Jahre als Revue- und Operettentheater mit rund 3000 Plätzen für die Witwe Mathilde Wolff erbaut[2] und am 19. Januar 1899 eröffnet. Ergänzend zu Eigenproduktionen traten zahlreiche Reisebühnen auf. Insgesamt fanden etwa 400 Veranstaltungen pro Jahr statt.[3]

Das Gebäude hatte zwei Schaufassaden, eine zum Kopstadtplatz und eine an der Weberstraße. Die Front zum Kopstadtplatz wurde von einem vergoldeten Bogen mit Kuppel über dem Haupteingang gekrönt, die eine Kupferfigur schmückte. Die Theaterfassade war aus hellem Pfälzer Sandstein in Rokokoformen nach Entwürfen der Essener Architekten Bruno und Oskar Kunhenn gestaltet.[4] Man betrat das Innere durch breite Eingänge und Wandelhallen mit Marmortreppen. Der Theatersaal selbst lag schräg hinter dem Eingangsgebäude und war mit künstlerischen Stuck-, Marmor- und Schmiedeeisenarbeiten ausgestattet sowie von einer Decke mit Ornamenten überspannt. Das Parkett und die zwei übereinanderliegenden Ränge boten Platz für etwa 3000 Zuschauer. In der ersten Etage befanden sich das Kaiser-Café und ein Restaurant. Das Haus verfügte über eine eigene elektrische Anlage, die neben der Beleuchtung auch die Ventilation und Heizung versorgte.[5][6]

Anzeige zwischen 1899 und 1902

Mathilde Wolff annoncierte ihr Theater als feinstes Etablissement Rheinlands und Westfalens. Ihre Eröffnungsrede erklärte unter anderem:

„Vor allen Dingen soll es mein eifrigstes Bestreben sein, nur gediegene und decente Sachen zur Aufführung zu bringen, damit das Vorurtheil, welches noch allgemein auf der Variete-Bühne ruht, gänzlich schwinde und mein Neubau als Stätte der heiteren Kunst ein Ort der Erholung für meine werthen Gäste werden möge.“

Mathilde Wolff, Eröffnungsrede

Mathilde Wolff übertrug ihrem Schwiegersohn Emil Paul Schulz 1917 die alleinige Leitung des Theaters, der den Schwerpunkt auf Operette verlagerte und das Haus Komische Oper nannte. Durch die Weltwirtschaftskrise und das Aufkommen des Tonfilms gingen die Besucherzahlen Ende der 1920er Jahre in kurzer Zeit um ein Drittel zurück. Zudem trug die Spezialisierung auf ein konventionelles Bühnenprogramm mit der Auslassung von gestreutem Unterhaltungsprogramm zum Besucherrückgang bei. Kurz nach den Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Jubiläum musste das Colosseum aus finanziellen Gründen schließen.[7] Dieses wurde am 18. Januar 1929 mit dem 160 Sänger umfassenden Männergesangsvereins Concordia und der Operette Der fidele Bauer von Leo Fall gefeiert. Gleichzeitig feierte Emil Schulz seine dreißigjährige Leitung des Theaters.[8]

Die letzte Vorstellung unter der Leitung von Emil Schulz fand am 13. August 1929 statt. Die Komische Oper ist nun an einen kapitalkräftigen Berliner Konzern verpachtet, der beabsichtigte, in den Umbau des Theaters 300.000 Reichsmark zu investieren. Es sollten erstklassige Operetten und nun auch Tonfilme geboten werden.[9]

In den 1930er Jahren wurde die aufwändig gestaltete Fassade durch eine dem Zeitgeist entsprechende, sachliche Fassade ersetzt, und das Haus nun Varieté Scala genannt. Es bot 1194 Sitz- und rund 200 Stehplätze.[10]

Nach Kriegszerstörung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebäude wurde bei den Luftangriffen auf Essen zerstört. 1958 entstand dort das Haus am Kopstadtplatz, das nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Willy Holtgreve erbaut wurde. Es ist ein Geschäftshauskomplex bestehend aus zwei Baukörpern (fünf- bzw. achtgeschossig). Dort befindet sich die verglaste Kopstadt-Passage, eine Ladenpassage, die den Kunstverein Ruhr und seit 2005 das Forum Kunst und Architektur beheimatet.[11]

Das heutige Colosseum Theater im Essener Westviertel soll an den früheren, gleichnamigen Kulturpalast am Kopstadtplatz erinnern.[12][13]

Wolff’s Colosseum wurde im Führer durch Essen mit Stadtplan, Straßenverzeichnis, Theaterplänen und Illustrationen genannt und auf drei Seiten mit zahlreichen Illustrationen beschrieben. Laut Titus Waechtler war das Gebäude ein „Schmuck“ für den Kopstadtplatz und eine „Zierde“ für die Stadt Essen.[5]

Tony Kellen beschreibt das Gebäude in Die Industriestadt Essen in Wort und Bild. Geschichte und Beschreibung der Stadt Essen. Zugleich ein Führer durch Essen und Umgebung als „monumentalen Neubau“ in „modernen Formen“ mit einer Innenausstattung „wie ihn unsere Stadt vorher nicht aufzuweisen gehabt hatte.“[6]

Laut dem Essener Denkmalpfad spielte das Colosseum als Varieté eine wichtige Rolle für den Kopstadtplatz als Zentrum des Unterhaltungsgewerbes, neben den anderen Rollen des Kopstadtplatzes als Ort nationalen Gedenkens und des neuen, zentralen Marktplatzes.[14]

  • Tony Kellen: Wolff’s Colosseum. In: Die Industriestadt Essen in Wort und Bild. Geschichte und Beschreibung der Stadt Essen. Zugleich ein Führer durch Essen und Umgebung. Essen Ruhr 1902, Druck und Verlag von Fredebeul & Koenen, S. 103–104 (online).
  • Titus Waechtler: Wolffs Colosseum. In: Führer durch Essen mit Stadtplan, Strassenverzeichnis, Theaterplänen und Illustrationen. Druck und Verlag von Titus Waechtler, 1900 Essen, S. 40–43.
  • Holger Krüssmann: Architektur in Essen 1900-1960. Klartext-Verlag, Essen 2012, ISBN 978-3-8375-0246-6 (herausgegeben von Berger Bergmann und Peter Brdenk).
  • Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen e. V. (Hrsg.): Essen. Rüstig zur Arbeit! Froh in der Rast! Den Besuchern der Stadt gewidmet vom Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen. H.L. Geck, Essen 1913.
  • C. Brand, D. Hopp: Gräber, Gräber, Gräber… In: D. Hopp (Hrsg.): Ans Tageslicht gebracht. Archäologie in der Essener City. Essen 2008, S. 62–68.
  • H. Burghard: Stadtbilder. Die Gestalt der Stadt vor der Industrialisierung. In: J. Gerchow (Hrsg.): Die Mauer der Stadt. Essen vor der Industrie 1244 bis 1865. Essen 1995, S. 33–34.
  • F. Feldens: Der alte Friedhof in der Burg, Das Münster am Hellweg 7. 1954, S. 30.
  • D. Hopp: 2. Archäologische Überreste nahe der Hl. Geistkapelle. In: Essener Beiträge 108, 1996, S. 297.
  • A. Reichart: Alltagsleben im späten Mittelalter. Der Übergang zur frühen Neuzeit am Beispiel der Stadt Essen (1400-1700). Essen 1992.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Neuer Theater-Almanach für das Jahr 1910, Band 21, F.A. Günther, 1910, S. 892
  2. Krüssmann, S. 35, S. 164
  3. 400 Veranstaltungen pro Jahr auf deutsches-architektur-Forum.de
  4. Die Architekten Oskar und Bruno Kunhenn entwarfen das Theater mit einer Fassade in Rokokoformen auf deutsches-architektur-Forum.de
  5. a b Titus Waechtler: Wolffs Colosseum. In: Führer durch Essen mit Stadtplan, Strassenverzeichnis, Theaterplänen und Illustrationen. Druck und Verlag von Titus Waechtler, Essen 1900, S. 40–43
  6. a b Tony Kellen: Die Industriestadt Essen in Wort und Bild. Geschichte und Beschreibung der Stadt Essen. Zugleich ein Führer durch Essen und Umgebung. Essen Ruhr 1902, Druck und Verlag von Fredebeul & Koenen, S. 103–104 (online)
  7. Matthias Uecker (Hrsg.): Zwischen Industrieprovinz und Großstadthoffnung. Kulturpolitik im Ruhrgebiet der zwanziger Jahre. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 978-3-8244-4151-8, S. 319 f.
  8. Anzeige in der Essener Volkszeitung vom 15. Januar 1929, Jahrgang 62
  9. Verpachtung der Komischen Oper; In: Essener Volkszeitung vom 13. August 1929, Jahrgang 62
  10. Hugo Rieth: Essen in alten Ansichten, Band 1. 3. Auflage. Zaltbommel, Niederlande 1978.
  11. Krüssman, S. 164, Nr. 107 [Haus am Kopstadtplatz, Architekt: Willy Holtgreve, Baujahr 1958, Ort: Zentrum, Kopstadtplatz 12]
  12. Wolfgang Bachmann: Colosseum in Essen: Kohl & Kohl Architekten. In: Baumeister, 95 (1998) 4, S. 42–47.
  13. Jürgen Odenthal/Ulrich Tappe: Die neue Weststadt in Essen mit dem Musical-Theater Colosseum. In: Brach-Flächen-Recycling. 5 (1998) 1, S. 14–21
  14. Denkmalpfad: Kopstadtplatz (Memento des Originals vom 31. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/media.essen.de; abgerufen am 17. Juni 2016

Koordinaten: 51° 27′ 30,7″ N, 7° 0′ 40,1″ O