Französische Gebärdensprachen
Die französischen Gebärdensprachen sind eine Gebärdensprachfamilie, welche die meisten Gebärdensprachen der Welt beeinflusste. Sie hat ihren Ursprung in der alten französischen Gebärdensprache, welche sich in der Gehörlosengemeinschaft in Paris entwickelte. Im 18. Jahrhundert erwähnte l'Épée erstmals diese Gebärdensprache. Mehrere europäische Gebärdensprachen und die American Sign Language (ASL) sind durch l'Épée`s Arbeit von dieser Gebärdensprache abgeleitet. Der Einfluss der alten französischen Gebärdensprache in der ASL fand aber hauptsächlich durch die Lehrtätigkeit des Franzosen Laurent Clerc in der American School for the Deaf statt.
Viele Gebärdensprachen wie die Lengua de Signos Española werden als verwandt, aber nicht abstammend, angesehen.
Erste Klassifikation nach Anderson und Peterson[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anderson[1] stellte 1979 zusammen mit Peterson die folgende Klassifizierung der Langue des signes française (LSF) vor. Dabei gingen sie von einer Ableitung aus den Klösterlichen Zeichensprachen aus, da dort die ersten adligen Gehörlosen unterrichtet wurden. Ihnen dort praktisch eine Sprache gegeben wurde. Heute zählen diese Klösterlichen Zeichensprachen nicht mehr zu den Gebärdensprachen, weil sie nur aus dem Fingeralphabet und einfachen erlernten Zeichen bzw. Gesten von hörenden Mönchen bestanden.
- Langue des signes française (LSF)
- 1086: Klösterliche Zeichensprachen
- „Südwesteuropäische“ Gebärdensprachen
- Proto-Spanisch
- Lengua de Signos Española (Spanische Gebärdensprache) (Wörterbuch 1851)
- Venezuelan Sign Language
- Irische Gebärdensprache
- Australisch-Katholisch
- Altpolnisch
- Polski Język Migowy (Polnische Gebärdensprache)
- Vieille langue des signes française (VLSF, Alte Französische Gebärdensprache) (vor l'Épée)
- Ostfranzösisch: Altdänisch (1807), Altdeutsch, Deutsch-Evangelisch (Österreich 1779), Altrussisch (1806)
- Westfranzösisch
- Mittelfranzösische Gebärdensprach-Fingerbuchstabiergruppe: Niederländische Gebärdensprache (1780), Belgische Gebärdensprache (1793), Schweizer Gebärdensprache, Altfranzösisch
- Mittelfranzösisch (Wörterbuch 1850)
- Französisch
- Amerikanisches Englisch (1816; später mit Bestandteilen Nordwesteuropäischer Gebärdensprachen)
- Internationale Fingerbuchstabiergruppe: Norwegische Gebärdensprache, Finnische Gebärdensprache, Deutsche Gebärdensprache, American Sign Language
- Altbrasilianisch
- Brasilianische Gebärdensprache, Argentinische Gebärdensprache, Mexikanische Gebärdensprache
- Proto-Spanisch
Heutige Klassifikation nach Wittmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Henri Wittmann hat 1991 auf Basis der 1979 von Anderson und Peterson durchgeführten Forschungen versucht die Klassifikation der Französischen Gebärdensprachen zu rekonstruieren. Er listete die vermuteten Sprachen mit ihrer Gründung oder frühesten Erwähnung auf. Spätere Studien bestätigten die meisten seiner Vermutungen. Demzufolge gilt folgende Klassifikation:[2]
- 1752: Langue des signes française
- 1780: Österreichisch-ungarische Gebärdensprachen, aus der folgende Sprachen entwickelt bzw. beeinflusst worden sind:
- Österreichische Gebärdensprache
- Slowakische Gebärdensprache
- 1786: Tschechische Gebärdensprache
- Ungarische Gebärdensprache
- 1805: Ukrainische Gebärdensprache
- 1806: Russische Gebärdensprache, aus der folgende Sprache entwickelt bzw. beeinflusst worden ist:
- 1920: Bulgarische Gebärdensprache
- wahrscheinlich Estnische Gebärdensprache (1866)
- 1840: Jugoslawische Gebärdensprachen, aus der folgende Sprachen entwickelt bzw. beeinflusst worden sind:
- Kosovarische Gebärdensprache
- 1885: Kroatische Gebärdensprache
- Mazedonische Gebärdensprache
- 1840: Slowenische Gebärdensprache
- 1799: Niederländische Gebärdensprache
- 1806: Dänische Gebärdensprache
- 1806: Lettische Gebärdensprache
- 1806 (unsicher): Philippinische Gebärdensprache
- 1817: ASL, aus der folgende Sprachen entwickelten bzw. beeinflusst worden sind:
- Bolivianische Gebärdensprache
- Pigdin-hawaiienesische Gebärdensprache
- Eskimo-Gebärdensprache
- Kenyanische Gebärdensprache
- Malagasysche Gebärdensprache
- Québec-Gebärdensprache
- Tschadische Gebärdensprache
- Simbabwische Gebärdensprache
- 1825: Norwegische Gebärdensprache (beeinflusst durch die deutschen Gebärdensprachen):
- Finnische Gebärdensprache
- Finnisch-schwedische Gebärdensprache
- Schwedische Gebärdensprache (unsicher)
- 1828: Italienische Gebärdensprache, aus der folgende Sprachen entwickelten bzw. beeinflusst worden sind:
- Libysche Gebärdensprache
- Tunesische Gebärdensprache
- Äthiopische Gebärdensprache
- 1828: Schweizer Gebärdensprachen, aus der folgende Sprachen entwickelten bzw. beeinflusst worden sind:
- Tessiner Gebärdensprache (heute wird von einem Dialekt der Italienischen Gebärdensprache ausgegangen)
- Deutschschweizer Gebärdensprache (Abstammung unsicher[3])
- Westschweizer Gebärdensprache (heute wird von einem Dialekt der französischen Gebärdensprache ausgegangen)
- 1846: Irische Gebärdensprache
- 1907: Porto-ricanesische Gebärdensprache
- 1950 (unsicher): Griechische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL)
- 1951: Thailändische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL und indigene Gebärdensprachen)
- 1960: Ghanaische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL)
- 1960 (unsicher): Malaiische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL)
- 1960: Nigerianische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL)
- 1987: Marokkanische Gebärdensprache (Einfluss durch ASL)
- Algerische Gebärdensprache
- Katalanische Gebärdensprache
- Mexikanische Gebärdensprache
- Rumänische Gebärdensprache
Die Existenz der Lyoner Gebärdensprache (ehemals als Ursprung der Belgischen Gebärdensprache verstanden) wurde angezweifelt. Wegen fehlender Beweise wurde der Sprachcode (lsg) 2017 eingestellt.[4]
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Anderson, Lloyd B., Peterson, David 1979, A Comparison of Some American, British, Australian, and Swedish Signs, in Evidence on Historical Changes in Signs and Some Family Relationships of Sign Languages, Google Books
- ↑ Wittmann, Henri 1991, Classification linguistique des langues signées non vocalement, in Revue québécoise de linguistique théorique et appliquée, Vol. 10, Nr. 1, Seiten 215–288, Online (PDF; 180 kB), abgerufen am 10. Juli 2013
- ↑ Braem, Penny Boyes, Haug, Tobias, Shores, Patty: Gebärdenspracharbeit in der Schweiz: Rückblick und Ausblick, Hamburg: Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser
- ↑ J. Albert Bickford: Request Number 2017-013 for Change to ISO 639-3 Language Code. SIL International, 9. März 2017, abgerufen am 6. Januar 2019.