Multaka

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Multaka – Treffpunkt Museum ist eine Initiative Berliner Museen zur Vermittlung von kunstgeschichtlichen und historischen Zusammenhängen für Arabisch und Persisch sprechende Besucher. „Multaka“ (arabisch: Treffpunkt) steht dabei als Bezeichnung für einen neuen museumspädagogischen Austausch kultureller und historischer Erfahrungen von Geflüchteten und anderen Besuchern aus Ländern des Vorderen Orients mit den eigens dafür geschulten Multaka Guides. Dabei vermittelt der interkulturelle Dialog mit den Ausstellungsbesuchern in ihrer Muttersprache deren jeweilige Sichtweisen auf die historischen Zusammenhänge der Kulturobjekte und darüber hinaus auch auf das eigene Verständnis vom kulturellen Erbe ihres Heimatlandes.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Statue der Wettergottheit Hadad, Vorderasiatisches Museum Berlin

„Multaka: Treffpunkt Museum“ ist ein museumspädagogisches Begleitprogramm mit dem Ziel, den interkulturellen Austausch zwischen Menschen aus dem Vorderen Orient und den beteiligten Museen zu ergänzen. Mittels sprachlicher und kunsthistorischer Vermittlung durch speziell für diese Führungen ausgebildete Geflüchtete und Migrantinnen soll ein tieferes Verständnis der Ausstellungen mit Funden deutscher Archäologen in den heutigen Ländern Syrien, Irak und der Türkei erzielt werden. Weiterhin trägt die Perspektive von Migranten zum differenzierten Versändnis deutscher Geschichte und Kultur aus der Sicht von verschiedenen Bevölkerungsgruppen bei.[1]

Das Projekt wurde 2015 vom Museum für Islamische Kunst initiiert und danach in Kooperation mit dem Vorderasiatischen Museum, dem Bode-Museum und dem Deutschen Historischen Museum durchgeführt. Aufgrund der vorübergehenden Schließung des Pergamonmuseums im Oktober 2023 finden Multaka-Führungen auch in der Antikensammlung des Alten Museums, im Ägyptischen Museum, im Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie in der Alten Nationalgalerie statt. Besonders im Deutschen Historischen Museum steht die jüngere deutsche Geschichte im Mittelpunkt der auf gegenseitige Anerkennung historischer Erfahrungen wie Flucht und Vertreibung beruhenden Führungen.[2][3]

Durch die kostenlos angebotenen Führungen werden den meist muslimischen Besuchern Zusammenhänge zwischen verschiedenen historischen Epochen und Ländern vermittelt. Dabei sollen die dialogisch konzipierten Führungen den Museumsbesuchern Verbindungen zwischen der Kulturgeschichte ihrer Heimatländer und den Sammlungen aufzeigen. Die hierfür ausgebildeten Arabisch oder Persisch sprechenden Multaka Guides ergänzen die Kenntnisse der Teilnehmenden in deren Muttersprache durch Informationen über die Herkunft und Geschichte der Ausstellungsgegenstände. Eine oft gestellte Frage ist dabei: „Wie kamen diese Kulturobjekte nach Berlin?“

Seit Beginn des Projekts nahmen mehr als 30 Guides aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und dem Iran an dieser Ausbildung teil, von denen 16 Personen wie der irakische Archäologe Hussam Zahim Mohammed und die aus Syrien stammende Autorin Kefah Ali Deeb bereits langfristig für Multaka tätig sind.[4][5] Eine Statue der syro-phönizischen Gottheit Hadad stellt hierbei für Ali Deeb ein Beispiel für die Ursprünge der Religionen ihres Heimatlandes in alten Mythen dar.[6] Bereits im ersten Jahr nahmen mehr als 6.500 Menschen an den Führungen teil.[7] Sie werden seither einmal pro Woche jeweils in Arabisch und Persisch durchgeführt, wobei auf Anfrage auch Führungen auf Deutsch oder Englisch angeboten werden.[8]

Weitere Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im April 2016 initiierten das Museum für Islamische Kunst und das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück öffentliche Werkstattgespräche zur Gegenwart und Zukunft der Migrationsgesellschaft. Vor allem durch interkulturelle Jugendarbeit reagierten die Veranstalter einerseits auf die seit 2015 stark angewachsene Zahl von Migranten sowie auf die Diskussionen über die Integration von Muslimen in Deutschland.[9] Dabei dienen Museumsobjekte als Ausdruck der Wertschätzung islamisch geprägter Kulturen und als Beispiel, wie der Kontakt zwischen Europa und dem Nahen Osten abendländische Musik, Kleidung und Wissenschaft beeinflusst hat und wie andererseits auch der kulturelle Wandel in islamisch geprägten Ländern durch die westliche Moderne geprägt wurde.[10]

Weiterhin bietet das Projekt Multaka auch die Vermittlung von Unterrichtskonzepten und Materialien für Berliner Schulen und Jugendeinrichtungen an. Die sogenannte „Toolbox“ mit interaktiven Spielen und Übungen zu den Themen Essen, Musik und Orte kann in den Bildungseinrichtungen von einer oder einem Multaka-Guide kostenlos durchgeführt werden.[11]

Die Ziele des Projekts Multaka fasste der Islamwissenschaftler und Direktor des Museums für Islamische Kunst Stefan Weber, wie folgt zusammen:[12]

„Unsere Vision ist es, ein kollektives Bewusstsein für das kulturelle Erbe zu schaffen – ein Erbe das uns durch die Geschichte verbindet. Wir wollen mit dem Museum ein neues Publikum in die laufenden Diskussionen über kulturelles Erbe im Konflikt und um soziale Verantwortung einbeziehen. Die Teilnehmer benennen selber, was ihr Erbe ausmacht und sind auf allen Ebenen aktiv eingebunden. Die Projekte haben einen starken partizipativen Charakter.“

Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst.

Internationale Kooperation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juni 2019 gründeten die Initiatoren von Multaka in Berlin zusammen mit sechs ähnlichen Museumsprojekten in Deutschland, England, Italien, Griechenland und der Schweiz das internationale Multaka-Netzwerk.[13] Hierdurch haben sich 29 Museen in den genannten Ländern an der Entwicklung interkultureller Vermittlungsformen für Besucher mit Migrationshintergrund und der Ausbildung von mehr als 100 Museum Guides beteiligt. Auch hier sollen durch den interkulturellen Dialog mit den Ausstellungsbesuchern sollen deren jeweilige Sichtweisen auf die historischen Zusammenhänge der Kulturobjekte und auf das eigene Verständnis vom kulturellen Erbe ihres Heimatlandes ergänzt werden.[14][15]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sonderpreis für Projekte zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen, 2016[16]
  • Bundessieger des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“, 2016
  • zenith Photo Award, 2017[17]
  • Museum and Heritage Award, London, 2018[18]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rikke Gram: Doing Diversity in Museums and Heritage. A Berlin Ethnography. Hrsg.: Sharon Macdonald. transcript Verlag, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8394-6409-0, Willkommen im Museum. Making and Unmaking Refugees in the Multaka Project, S. 247–260 (englisch, google.com).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Konzept & Vision. In: Multaka. Abgerufen am 9. Mai 2024 (deutsch).
  2. Multaka-Führungen // Jetzt buchen! In: Multaka. Abgerufen am 12. Mai 2024 (deutsch).
  3. Multaka: Treffpunkt Museum. Eine Führung über Kunst, Politik und Widerstand - Deutsches Historisches Museum. 12. Mai 2024, abgerufen am 12. Mai 2024 (deutsch).
  4. Staatliche Museen zu Berlin: Multaka: Treffpunkt Museum – Multaka-Guide Kefah Ali Deeb - Warum Multaka? Abgerufen am 4. Mai 2024.
  5. Staatliche Museen zu Berlin: Multaka: Treffpunkt Museum – Multaka-Guide Hussam Zahim Mohammed - Besuch des Vorderasiatischen Museums Berlin. Abgerufen am 15. Mai 2024.
  6. Kefah Ali Deeb: Wettergott Hadad. Multaka in 4 Berliner Museen. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  7. Multaka: Treffpunkt Museum | Deutsche UNESCO-Kommission. 16. August 2016, abgerufen am 9. Mai 2024.
  8. Multaka-Führungen // Jetzt buchen! In: Multaka. Abgerufen am 11. Mai 2024 (deutsch).
  9. Museen müssen auf die Identität der Einwanderungsgesellschaft reagieren. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 25. November 2015, abgerufen am 12. Mai 2024.
  10. Ingolf Kern, Stefan Weber: Es geht nicht um Religion, sondern um kulturelle Identität. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 11. April 2016, abgerufen am 9. Mai 2024.
  11. Toolbox. In: Multaka. Abgerufen am 11. Mai 2024 (deutsch).
  12. Multaka: Treffpunkt Museum mehrfach ausgezeichnetes Projekt! In: Multaka. Abgerufen am 13. Mai 2024 (deutsch).
  13. Multaka | amir project. 15. Mai 2024, abgerufen am 20. Mai 2024.
  14. Das internationale Multaka-Netzwerk. In: Multaka. Freunde des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum e. V., abgerufen am 10. Mai 2024 (deutsch).
  15. Aline Minder: «Multaka»: Menschen mit Fluchterfahrung führen durch das Bernische Historische Museum. Burgergemeinde Bern, 8. Mai 2019, abgerufen am 10. Mai 2024.
  16. Vermittlungsprojekt „Multaka“ für neuen Sonderpreis der Regierung nominiert. In: www.preussischer-kulturbesitz.de. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 11. April 2016, abgerufen am 12. Mai 2024.
  17. Begegnungen im Museum | zenith Photo Award 2017 | Islam in Europa. 14. November 2017, abgerufen am 12. Mai 2024.
  18. Staatliche Museen zu Berlin: Staatliche Museen zu Berlin: Syrian Heritage Initiative. Abgerufen am 11. Mai 2024.