Pyocine

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Pyocine sind Gifte aus der Gruppe der Bacteriocine, die gegen das Bakterium Pseudomonas aeruginosa wirken. R- und F-Typ-Pyocine ähneln den Schwanzstücken von Bakteriophagen, S-Typ-Pyocine entsprechen den Colicinen in E. coli. Pyocine werden von Pseudomonas aeruginosa produziert, um eng verwandte Pseudomonas-Stämme zu töten.

François Jacob entdeckte und benannte Pyocine nach Pseudomonas pyocyanea, in denen sie zuerst entdeckt wurden. Die Benennung ist damit analog zu Colicinen von E. coli.[1]

Das S der S-Typ-Pyocine ist abgeleitet vom englischen Wort „soluble“ (deutsch: löslich). S-Typ-Pyocine sind Proteinase-empfindliche Proteine, die zwischen 20 und 60 kDa schwer sind. Sie ähneln den Colicinen in E. coli, ihre Gene sind im Gegensatz zu Colicingenen aber chromosomal, nicht plasmidenkodiert. Sie haben einen modularen Aufbau aus je drei Domänen: einer R- (receptor binding), T- (translocation) und C-Domäne (cytotoxic). Die R-Domäne bindet einen Rezeptor auf der Zelloberfläche des Zielbakteriums und erzeugt dadurch die Spezifität des Giftes. Die T-Domäne ermöglicht den Transport des Pyocins durch die äußere Membran ins Periplasma. Die C-Domäne ist für die zytotoxische Wirkung zuständig und kann zum Beispiel Nukleasen- (DNase, tRNase, mRNase) oder Poren-formende Aktivität haben.[2]

Viele S-Typ-Pyocine wurden mit Hilfe von in-silico-Methoden entdeckt,[3] bislang wurden aber nur wenige dieser Pyocine als funktionale Bacteriocine belegt. Die in vitro untersuchten und bestätigten S-Typ-Pyocine sind Pyocin S1,[4] SD1,[5] S2,[4] SD2,[5] S3,[6] SD3,[5] AP4,[7] S5,[8] S6,[9] Pyocin S8[10] und PaeM, auch Pyocin M1 genannt.[11] Weiterhin wurde Pyocin L1 untersucht.[3]

Rezeptor C-Domäne
AP41 ? DNase
M1 ? Lipid-II Abbau
S1 ? DNase
S2 FpvAI DNase
S3 FpvAII DNase
S4 FpvAI tRNase
S5 FptA Pore
S6 ? rRNase
S8 ? DNase
SD1 ? tRNase
SD2 FpvAI tRNase
SD3 FpvAII tRNase
L1 LPS ?

Die SD-Pyocine sind natürlich vorkommende Chimäre aus der T- und R-Domäne von Pyocin S1, S2 oder S3, und der C-Domäne von Colicin D. Pyocine SD2 und SD3 wurden vor ihrer experimentellen Bestätigung auch Pyocin S11 und S12 genannt. Wie die SD Pyocine hat auch Pyocin S6 die gleiche T- und R-Domäne wie Pyocin S1, aber eine andere C-Domäne.

Immunitätsproteine

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Viele S-Typ-Pyocine werden zusammen mit einem Immunitätsgen exprimiert. Die Immunitätsgene der Nukleasen werden auf dem gleichen Strang wie das Pyocin enkodiert. Das Immunitätsgen bindet die Nuklease, um sie zu inaktivieren und dadurch das produzierende Bakterium zu schützen. Immunitätsprotein und Nuklease werden zusammen als Heterodimer freigesetzt. Es wird vermutet, dass das Immunitätsprotein beim Eintritt in die Zielzelle zurückgelassen wird. Die Immunitätsproteine von Poren-formenden Pyocinen werden auf dem dem Pyocingen entgegengesetzten DNA-Strang enkodiert. Die Immunitätsproteine der Poren-formenden Pyocine werden nicht zusammen mit dem Pyocin freigesetzt.[12] Es wird angenommen, dass sich das Immunitätsprotein in der inneren Membran der produzierenden Zelle befindet und Porenbildung durch das Pyocin verhindert.

Die Struktur von R- und T-Typ Pyocinen entspricht der des Schwanzstücks von Bakteriophagen. Ein Sammelbegriff für R- und F-Typ Bakteriocine ist daher Tailocine, abgeleitet vom englischen tail für Schwanz. Sie haben eine Teleskoparchitektur, die das Durchstechen der äußeren Membran von Zielbakterien ermöglicht. Der äußere Mantel kann im Gegensatz zum inneren Kern bei Kontakt mit der Zielzelle kontrahieren. Der Kern stößt als Folge dessen durch die äußere Membran. Die Spezifität der R-Typ Pyocine ist wie bei Bakteriophagen durch Schwanzfibern, die von einer Grundplatte ausgehen, gegeben.[2]

Bislang untersucht wurden Pyocin R1, R2, R3, R4, R5, C9, 21 und 430c.[2]

F-Typ Pyocine sind stabförmig und flexibel. Der Kern ist 106 nm lang, 10 nm im Durchmesser und nicht kontrahierbar. Wie bei R-Typ Pyocinen ist die Spezifität durch Fibern gegeben, die mit den Zielzellen interagieren. Bis lang untersucht wurden Pyocin F1, F2, F3 und Pyocin 28.[2]

Physiologische Funktion

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In ökologischen Umgebungen, wie Mutterboden und Pflanzen spielen Pyocine eine wichtige Rolle in der Verteidigung von ökologischen Nischen. Bei der Infektion eines Wirtsorganismus können Bacteriocine sowohl den infizierenden Bakterien bei der Eroberung von ökologischen Nischen (Verdrängung des Wirtsmikrobioms) als auch dem Wirtsmikrobiom bei der Verteidigung ihrer ökologischen Nischen helfen. Das Aufrechterhalten von Bacteriocin-genen und deren Exprimierung ist nur in strukturierten Lebensräumen von Vorteil. In unstrukturierten Lebensräumen (z. B. flüssigen Nährmedien) werden Bakterien, die Bacteriocine produzieren von Bakterien, die nur Immunitätsproteine gegen Bacteriocine produzieren durch schnelleres Wachstum verdrängt.[13]

Die Anwendung von Pyocinen aller drei Typen als spezifische Antibiotika wird diskutiert.[14] Vorteil wäre die spezifische Wirkung auf einen oder wenige Bakterienstämme, die das restliche Mikrobiom intakt lassen und dadurch Dysbiosen vermeiden.

Der wohl meistzitierte und anschaulichste Reviewartikel über Pyocine ist The Pyocins of Pseudomonas Aeruginosa.[2] Der aktuellste und detaillierteste Reviewartikel über Pyocine ist ‘Ribosomally Encoded Antibacterial Proteins and Peptides from Pseudomonas’[3].

Einzelnachweise

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  1. François Jacob: Biosynthèse Induite et Mode D’action D’une Pyocine, Antibiotique de Pseudomonas Pyocyanea, Ann. Inst. Pasteur, 86 (1954), 149–160.
  2. a b c d e Yvon Michel-Briand, Christine Baysse: The pyocins of Pseudomonas aeruginosa. In: Biochimie. 84, 2002, S. 499, doi:10.1016/S0300-9084(02)01422-0.
  3. a b c Maarten G.K. Ghequire, René De Mot: Efficacy of species-specific protein antibiotics in a murine model of acute Pseudomonas aeruginosa lung infection. In: FEMS Microbiology Reviews. 38, 2014, S. 523, doi:10.1111/1574-6976.12079.
  4. a b Y. Sano, H. Matsui, M. Kobayashi, M. Kageyama: Molecular structures and functions of pyocins S1 and S2 in Pseudomonas aeruginosa. In: Journal of bacteriology. Band 175, Nummer 10, Mai 1993, S. 2907–2916, PMID 8491711, PMC 204608 (freier Volltext).
  5. a b c L. C. McCaughey, I. Josts u. a.: Discovery, characterization and in vivo activity of pyocin SD2, a protein antibiotic from Pseudomonas aeruginosa. In: Biochemical Journal. 473, 2016, S. 2345, doi:10.1042/BCJ20160470.
  6. C. Duport, C. Baysse, Y. Michel-Briand: Molecular characterization of pyocin S3, a novel S-type pyocin from Pseudomonas aeruginosa. In: The Journal of biological chemistry. Band 270, Nummer 15, April 1995, S. 8920–8927, PMID 7721800.
  7. Y. Sano: The inherent DNase of pyocin AP41 causes breakdown of chromosomal DNA. In: Journal of bacteriology. Band 175, Nummer 3, Februar 1993, S. 912–915, PMID 8423163, PMC 196246 (freier Volltext).
  8. H. Ling, N. Saeidi, B. H. Rasouliha, M. W. Chang: A predicted S-type pyocin shows a bactericidal activity against clinical Pseudomonas aeruginosa isolates through membrane damage. In: FEBS letters. Band 584, Nummer 15, August 2010, S. 3354–3358, doi:10.1016/j.febslet.2010.06.021, PMID 20580355.
  9. J. Dingemans, M. G. Ghequire, M. Craggs, R. De Mot, P. Cornelis: Identification and functional analysis of a bacteriocin, pyocin S6, with ribonuclease activity from a Pseudomonas aeruginosa cystic fibrosis clinical isolate. In: MicrobiologyOpen. Band 5, Nummer 3, Juni 2016, S. 413–423, doi:10.1002/mbo3.339, PMID 26860427, PMC 4905994 (freier Volltext).
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=pyocin%20s8
  11. H. Barreteau, A. Bouhss, M. Fourgeaud, J. L. Mainardi, T. Touzé, F. Gérard, D. Blanot, M. Arthur, D. Mengin-Lecreulx: Human- and plant-pathogenic Pseudomonas species produce bacteriocins exhibiting colicin M-like hydrolase activity towards peptidoglycan precursors. In: Journal of bacteriology. Band 191, Nummer 11, Juni 2009, S. 3657–3664, doi:10.1128/JB.01824-08, PMID 19346308, PMC 2681890 (freier Volltext).
  12. Bahareh Haji Rasouliha, Hua Ling u. a.: A Predicted Immunity Protein Confers Resistance to Pyocin S5 in a Sensitive Strain of Pseudomonas aeruginosa. In: ChemBioChem. 14, 2013, S. 2444, doi:10.1002/cbic.201300410.
  13. Ylaine Gerardin, Michael Springer, Roy Kishony: A competitive trade-off limits the selective advantage of increased antibiotic production. In: Nature Microbiology. 1, 2016, S. 16175, doi:10.1038/nmicrobiol.2016.175.
  14. Laura C. McCaughey, Neil. D. Ritchie, Gillian R. Douce, Thomas J. Evans, Daniel Walker: Efficacy of species-specific protein antibiotics in a murine model of acute Pseudomonas aeruginosa lung infection. In: Scientific Reports. 6, 2016, doi:10.1038/srep30201.