Rai-Reiten

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Rai-Reiten ist eine von dem Westernsänger, Entertainer, Reiter und Pferde-Experten Fred Rai entwickelte Reitweise, die vornehmlich dem Freizeit- und Wanderreiten dient. Sie zeichnet sich durch den Verzicht auf Gebisse, Sporen und Gerte aus und berücksichtigt Psyche und Verhalten der Pferde. Dem Rai-Reiten liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Pferde Fluchttiere sind und keinen Schmerzschrei besitzen. Seine Erkenntnisse, wie der Mensch zum Leittier seines Pferdes wird, lehrte Fred Rai auch als Gastdozent an den Universitäten München-Weihenstephan und Stuttgart-Hohenheim.

Das Rai-Reiten ist ähnlich dem Westernreiten eine Impulsreitweise, in der nur zur Korrektur von Richtung, Stellung und Tempo auf das Pferd eingewirkt wird. Dabei ist erwünscht, dass das Pferd „mitdenkt“ und eigene Entscheidungen trifft. Es soll einer für das Pferd angenehmen, entspannten Selbsthaltung laufen. Versammlung wird nicht angestrebt.

Der Reiter strebt einen tiefen Sitz an, um das natürliche Gleichgewicht des Pferdes möglichst wenig zu stören. Der Oberkörper ist in allen Gangarten in leichter Rücklage.

Die Beine des Reiters verbleiben in Verlängerung des Oberkörpers ohne Anspannung und ohne ständigen Kontakt mit dem Pferdeleib. Die Beine sind lang und der Absatz tief. Zur Hilfengebung werden sie rund 30 cm hinter den Sattelgurt geführt, da hier das Pferd auf Grund des sich öffnenden Rippenbogens besonders empfänglich für treibende Hilfen ist. Die Schenkelhilfe wird nur so lange gegeben, bis das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt.

Die Zügel der gebisslosen Rai-Zäumung, des so genannten „Bändele“, werden nur selten und nur zur Korrektur eingesetzt. Ein Rai-ausgebildetes Pferd wird ausschließlich durch entsprechende Körperdrehung und Gewichtsverlagerung gelenkt, angehalten und angetrieben.

Voraussetzung für das Rai-Reiten ist die auf dem natürlichen Herdenverhalten basierende Bodenarbeit. Durch verschiedene Übungen soll der Reiter zum Leittier seines Pferdes werden. So übergibt das Pferd dem Reiter das Sicherheitsdenken, wie einem ranghohen Pferd und sucht bei Gefahr Schutz und Geborgenheit beim Reiter. Es vertraut seinen Entscheidungen. Dieses Dominanzverhältnis wird durch klare Regeln, Konsequenz und Zuverlässigkeit des Reiters bewahrt und verstärkt. Allgemein wird bei der Ausbildung des Pferdes und dem täglichen Umgang großes Gewicht auf positive Verstärkung durch Belohnung und Belohnungston gelegt. Dies ähnelt dem so genannten Klickertraining bei Hunden oder Delfinen, hat jedoch durch ein stimmlich tiefes „Hoho“ den Vorteil, immer verfügbar zu sein. Auch das Gegenteil – ein scharfer Zischlaut zur Quittierung unerwünschten Verhaltens – ist Bestandteil dieser Reitlehre.

Ein Rai-Pferd wird neben üblichen ebenerdigen Bahnfiguren bei der Bodenarbeit vor allem im und für das Gelände ausgebildet. Zur Bodenarbeit gehört auch ein Gelassenheitstraining, wodurch die Tiere zum verlässlichen Freizeitpartner werden.

Zäumung (Bändele)

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Im Rai-Reiten wird mit einem von Fred Rai entwickelten Schnurhalfter geritten. Das sogenannte Bändele besteht aus reißfesten, griffigen, dünnen geflochtenem Nylon und ähnelt einem Bosal. Es soll locker und etwa eine Handbreit über den Nüstern des Pferdes liegen, um nicht auf die Atemwege zu drücken. Mit dieser Zäumung können feine Signale auf den Nasenrücken des Pferdes gegeben werden. Auch ist es möglich, sich im Ernstfall durchzusetzen, ohne die Schmerzgrenze zu überschreiten.

Eine Masterarbeit von Korbinian Arzberger, Student der Agrarwissenschaften an der Technischen Universität München-Weihenstephan zeigte 2014, dass die Ausbildungsmethode nach Fred Rai pferdeschonend ist und den Anteil der Stresshormone senkt. Er bestätigte Fred Rais Dominanzarbeit. In seiner 200-seitigen Arbeit untersuchte er, warum die Ausbildungsmethode nach Fred Rai für Pferde stressarm ist. Betreut wurde die Arbeit von Margit Zeitler-Feicht, Verhaltensforscherin für Pferde. Es wurden zehn Pferde betrachtet, vom braven Schulpferd bis hin zum gefährlichen Steiger. Arzberger nahm von allen Pferde Speichelproben und maß die Veränderung Herzfrequenz über die Zeit. Diese Messungen wurden vor, während und nach der Arbeit der Pferde mit Fred Rai und an Ruhetagen durchgeführt. Den Ausdruck der Pferde – von Entspannung über Aufmerksamkeit, Irritation und Angst bis hin zu Panik – dokumentierte Arzberger mit Videoaufzeichnungen. Er wertete Mimik, Körperhaltung, Schweifstellung aus. Im Ergebnis zeigten alle Pferde nach der Dominanzarbeit alle äußeren Anzeichen von Entspanntheit, also seitlich abwärts hängende Ohren, eine entspannte Maul- und Kinnpartie, lockere Muskulatur und einen locker pendelnden Schweif. Die Beobachtung wurden mit den erhobenen physiologischen Daten in Zusammenhang gebracht. Dazu zählte das Speichelkortisol, ein Stresshormon, das bei allen Pferden nach der Arbeitseinheit im Schnitt um rund ein Drittel abfiel, was die Beobachtung bestätigt. Auch anfänglichen Herzfrequenzen im Bereich von 106 Schlägen pro Minute (Problempferd) bis 65 Schlägen bei ruhigen Pferden, fiel nach der Arbeit auf den Ruhewert von durchschnittlich 44 Schlägen pro Minute. Alle Versuchspferde zeigten vergleichbare Ergebnisse. Zeitler-Feicht schreibt: „Die Bodenarbeit nach Fred Rai ist besonders tiergerecht. Das Spezielle an dieser Masterarbeit sind die vier Säulen, auf denen die Ergebnisse fußen: Denn neben den reinen Beobachtungen hat der Student diese auch anhand von physiologischen Daten untermauert.“

Der nach hinten geneigte Sitz bringt den Reiter in eine Position, die die Verwendung eines Sattels mit hohem Hinterzwiesel erfordert, an dem der Reiter sich anlehnen kann.

Die Zäumung ist wenig geeignet für die abgestuften Wirkungen, wie sie bei jeder höheren Form der Dressur erforderlich sind. Das Rai-Reiten ist jedoch ohnehin als Reitstil für das Freizeit- und Wanderreiten gedacht.

  • Fred Rai: Natürliches Reiten. Nessos, Augsburg 1986, ISBN 978-3-934343-01-6
  • Fred Rai: Auch wir haben Gefühle. Nessos, Augsburg 2002, ISBN 978-3-00-002507-5
  • Fred Rai: Werde zum Leittier deines Pferdes. Nessos, Augsburg 2008, ISBN 978-3-934343-09-2 (Zum Buch erschienen ist auch eine eigene DVD)
  • Fred Rai: Die Kunst, mit den Pferden zu sprechen. Sanftes Reiten ohne Peitsche und ohne Sporen. Cormoran, München 2002, ISBN 978-3-517-09044-3 (Dieses Buch ist auch unter dem Titel Ohne Peitsche, ohne Sporen erschienen)